Multiple Diversität – Existenzielle Herausforderungen für TOP‐Teams

Top‐​Teams sind keine Therapie‐Gruppen

Top‐​Teams sind keine Therapie‐Gruppen

Die vier skizzierten Dimensionen lassen sich, metaphorisch gesprochen, etwa als existenzielle Kontinentalplatten verstehen, die in ständiger Bewegung zueinander sind. Nicht abdingbar erscheint mir vor diesem Horizont, dass die hier angesprochenen vier Dimensionen aus organisationaler Sicht, aus Sicht eines Führungsteams in diesem Sinne beständig und simultan im Blick gehalten werden müssen und – quasi seismographisch – auf Spuren sich ankündigender Erschütterungen aufgrund tektonischer Verschiebungen hin geortet und koordiniert werden müssen.

Und es erscheint mir an dieser Stelle zwingend darauf hinzuweisen, dass sich eine etwa naive Transmission solcher Modelle auf organisationale Überlegungen, d.h. die schlichte Übertragung der aus humanistischen therapeutischen Millieus entstandenen Perspektiven auf das soziale Miteinander eines auf einen Zweck hin orientierten Kollektivs verbietet. Innerhalb von Top‐​Management‐​Teams einer Organisation herrschen im Rahmen der ›Gegebenheiten‹ spezielle Gesetzmäßigkeiten, die weiterer und sehr viel tieferer vorsichtiger Überlegungen in der Umsetzung bedürfen und nicht Eins‐​zu‐​Eins übertragen werden sollten. Dies allein schon, um der implizierten Gefahr einer subtilen Pathologisierung zu entgehen oder einer möglicherweise nicht angemessenen aggregierenden Charakterisierung eines Teams mithilfe der Kategorien von Gruppentypologien.

Die hier eingenommene Sicht grenzt sich daher mit Dierke & Houben bewusst »von der …therapeutischen Perspektive … ab. Denn es geht …nicht um die Therapie eines ›broken systems‹. Sondern es geht im Wesentlichen darum, in den konkreten geschäftlichen Kontexten … möglichst produktive Formen der Zusammenarbeit zu schaffen. … Wie erzeuge ich eine ›Kollaborationsprämie‹, die über die Summe der Teile hinausgeht. Und genau das kann nur an der Unternehmensspitze organisiert und dort vorgelebt werden.« Es geht darum, »[d]iese Dynamiken zu verstehen, diese rationale Einsicht aus der unternehmerischen Perspektive im Management‐​Team zu verankern«. (Meynhardt & Winkler, 2014, S. 54f).

Dies gilt nicht zuletzt aufgrund der Dynamik, die sich aus der Interaktion von Rolle und der jeweiligen individuellen Ausfaltung der genannten Dimensionen nicht so leicht erfassen lässt und als weitere, sehr komplexe Dimension in der Steuerung sozialer Prozesse innerhalb eines Top‐​Teams einer Organisation ebenfalls sorgfältig beachtet werden sollte. – Zu Fragen der Supervision innerhalb der existenzanalytischen Perspektive siehe grundsätzlich Tutsch (2005).

Überhaupt wesentlich scheint es mir vor diesem Hintergrund zu sein, über ein sehr präzises und handlungsleitendes Verständnis hinsichtlich der funktionalen und charakteristischen Unterscheidungen von Teams und Gruppen zu verfügen, wie wir sie etwa bei Stefan Kühl (2021) vorfinden. – Dies gilt zumal innerhalb des spezifischen Machtgefüges und Kontexts sogenannter »Alpha‐​Teams« auf Top‐​Managementebene (Dierke & Houben, 2013, S. 39 ff.). – Zur existenzanalytischen Sicht auf Gruppen und deren Wirkweise siehe u.a. Kolbe (2010).