Multiple Diversität – Existenzielle Herausforderungen für TOP‐Teams

Erschütterungen von Mitwelt und Eigenwelt

Erschütterungen von ›Mitwelt‹ und ›Eigenwelt‹

Dieser Schachzug soll letztlich die wesentliche Erhöhung der äußeren Komplexität im Innern notwendig unter Aufrechterhaltung der Systemgrenzen nachvollziehen. Auf diesem Wege gerät allerdings das noch immer weitgehend vorherrschende Ressortprinzip innerhalb von Top‐​Management‐​Teams – aber auch innerhalb von Boards – ins Wanken. Diese Entwicklung erforderte dem Grunde nach eine radikale, kritische und offensive Binnen‐​Orientierung und eine offene Auseinandersetzung über die sich verändernden Konsequenzen der künftigen Zusammenarbeit. Innerhalb der ›Mitwelt‹ werden zum Teil eklatante, zumeist aber im Wortsinne ›unausgesprochen‹ unangenehme Veränderungen der Entscheidungsprozesse und der Komposition der gemeinsamen Verantwortlichkeiten erzeugt. Derartige Konflikte sind die Konsequenz der Illusion einer voraussetzungslosen und friktionsfreien Umsetzung einer offenbar unausweichlichen Strategie der Komplexitätserhöhung aufgrund der veränderten Team‐​Zusammensetzung. (vgl. Ely & Thomas, 2020).

Dies wirkt sich interessanterweise gerade dort in erheblicher Weise retardierend aus, wo am allerwenigsten offen über die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit reflektiert wird: auf der Top‐​Management‐​Ebene und innerhalb von Boards.

»Heterogenität und Diversität können dazu angezeigt sein, eine umfassende und komplexe Strategie zu formen, aber Homogenität und Effizienz können der kritische Faktor bei der erfolgreichen Ausführung dessen sein, was gebildet wurde.« (Menguc & Auh, 2005, S. 5; m.Ü.)

Trotz der vordergründigen Vorteile funktionaler und kultureller Vielfalt in Top‐​Management‐​Teams in Bezug auf die Strategieentwicklung, ist diese also nicht ohne Herausforderungen zu haben und ’no walk in the park‹ (cf. Ely & Thomas, 2020). Größere funktionale und kulturelle und sonstige Vielfalt führen zunächst zu weniger Konsens. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Erkenntnis, die betont, dass die Nebeneffekte funktionaler und kultureller Vielfalt in Top‐​Management‐​Teams und Boards mehr zwischenmenschliche Konflikte verursachen. Das heißt, die ›Friktionskosten‹ der Vielfalt dürfen nicht ignoriert werden. Im Gegenteil: Sie sind ihren erwarteten Vorteilen gegenüberzustellen und begründet gegeneinander gut abzuwägen.

Hier zeigt sich die existenziell grundsätzliche und unausweichliche Herausforderung, entstehende Konflikte zwischen ›Mitwelt‹ und ›Eigenwelt‹ auszubalancieren: Kreativität in einer Organisation ist nur dann effektiv, wenn es ein kollaboratives Umfeld gibt, das die Generierung neuer Ideen ermöglicht (vgl. Mintzberg, 1983). Ein sehr hohes Maß an internem Wettbewerb oder multipler Vielfalt kann zu einer starken Einschränkung und einem Misslingen der Kommunikation führen, aufgrund multipler Kontingenzen und einer verminderten Fähigkeit zum Brainstorming oder zum erfolgreichen, das heißt anschlussfähigem Austausch von Ideen. (vgl. Taggar, 2002). Eine solche organisationale Kultur dürfte mit einem geringen Maß an effektiver Kreativität und Effizienz verbunden und auf z.B. einander verbindende Werte, Ziele und Strebungen angewiesen sein:

»Je ähnlicher die Werte der Mitglieder sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass Spannungen und potenzielle Konflikte, die aus ihren Unterschieden entstehen, gemildert werden« (Ofori‐​Dankwa & Julian, 2014, S. 150; m.Ü.). Dies gilt z. B. in funktionaler Hinsicht, in Zugehörigkeit zu einer anderen Abteilung, Ethnie, Betriebszugehörigkeit, Geschlecht etc.

»Die Diversity‐​Absorptionsfähigkeit einer Organisation ist ein Spiegelbild oder ein Maß für das Ausmaß, in dem Individuen mit verschiedenen Unterschieden ähnliche Werte, Ziele und Bestrebungen haben. Eine solche Kapazität ermöglicht die Wertschätzung und Nutzung von unterschiedlichen Hintergründen und damit verbundenen individuellen Erfahrungen. Auf diese Weise sind Organisationen in der Lage, ihre Leistung zu verbessern, da alle relevanten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen ihrer vielfältigen Belegschaft effektiv für die Unternehmensziele genutzt werden.«(ibid; m.Ü.).

Das Ausmaß der Wertekongruenz und der gemeinsamen Normen ermöglicht eine effektivere Nutzung der vielfältigen Erfahrungen, Einsichten und Ideen, die Einzelpersonen mit unterschiedlichem Hintergrund haben können (Chatman & Flynn, 2001; Earley & Mosakowski, 2000). Das heißt, ein gewisses Maß an Homogenität in Bezug auf das gemeinsame Verständnis der gemeinsamen Verantwortung, das Suchen nach dem Gemeinsamen und der Bereicherung im Anders‐​Sein der Anderen, können einige kritischen Faktoren bei der erfolgreichen Umsetzung dessen sein, was strategisch beschlossen wurde:

»Unternehmen, die Diversity‐​Initiativen durchführen, werden hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit und ihres Kreativitätsniveaus besser dastehen, wenn sie Ressourcen für die gleichzeitige Erhöhung des Niveaus der Wertkongruenz aufwenden.« (Ofori‐​Dankwa & Julian, 2014, S. 154; m.Ü.).

Das Potenzial der Vielfalt und Heterogenität in den Top‐​Teams bedarf folglich der Einführung einer vermittelnden Variable, die für die kontinuierliche und nachhaltige Leistung des Unternehmens in der Umsetzung sorgt. Und zwar im organisationalen Sinnverständnis einer zweckhaften Orientierung der Überwelt-Dimension.