Existenzielles Denken und Phänomenologie – Fragen des Menschseins in Organisationen
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Existenzielles Denken und Phänomenologie – Fragen des Menschseins in Organisationen
Existenzielles Denken erweist sich zunehmend als reichhaltige Quelle, um soziale und organisationale Phänomene dem Grunde nach zu verstehen und Anregungen für Führungskräfte für einen guten Umgang mit Komplexität und fluideren Strukturen zu finden. Gerade existenzielles Denken ist für das Verstehen menschlichen Verhaltens im Allgemeinen, insbesondere aber angesichts fragiler werdender Strukturen besonders gut geeignet, um Fragen des Menschseins innerhalb widersprüchlich erscheinender organisationaler Kontexte zu beleuchten. Und so kann eine existenzielle Perspektive auch eine zusätzliche Dimension für die Untersuchung von organisationalem Verhalten eröffnen, wenn wir solches aus der Interaktion von Menschen in sozialen Systemen heraus verstehen wollen.
Folgen wir diesem Gedanken, dann müssen wir aus dem existenziellen Blick des Menschen als eine mit grundlegenden Daseinsthemen ringender Person schauen. Die konzeptionelle Verankerung von Fragen des Menschseins in einem existenziell geprägten Menschenbild eröffnet so ein erweitertes Verständnis innerhalb der systembedingten und organisationstheoretisch zu verstehenden Strukturen von Organisationen. Das Hinzufügen dieser Dimension tritt dabei nicht mit einem substituierenden oder etwa hegemonialen Anspruch in Konkurrenz zu etwa sozialkonstruktivistischen Ansätzen. Sie bietet sich komplementär zur Erweiterung der Perspektive an. Eine solche – um die existenzielle Perspektive – erweiterte Sicht spannt einen konstruktiven Raum auf, in den der Mensch als Akteur mit seinen existenziellen Strebungen, seiner Intentionalität und seinen grundlegenden Motiven eintreten kann. Darin wird er nicht auf seine physische Triebhaftigkeit oder seine psychische Dynamik reduziert.
Phänomenologie ist eine wesentliche Quelle existenzieller Erkenntnis. Sie konzentriert sich auf die Bedeutung von Gefühlen und rückt das inter‐subjektive, das bewusste Verstehen der Emotionen in den Vordergrund ihrer philosophischen und sozial‐institutionellen Untersuchungen. (siehe z .B. Fellmann, 2006 oder Zahavi, 2007). Dies gilt zwangsläufig auch innerhalb der Betrachtung von Organisationen als soziale Systeme. Der phänomenologische Fokus liegt darauf, die Fähigkeit individueller Gefühle daraufhin zu untersuchen, über die Erlebnisweisen des Einzelnen etwas aussagen zu können. Auf welche Weise setzt er sich mit der Realität, oder besser mit dem, was wir ›Wirk-lichkeit‹ nennen, auseinander? Bei Gefühlen geht es dem einzelnen Menschen immer um etwas. Emotionen sind daher sozusagen zugleich Eindruck, weil sie einen Reiz auszulösen vermögen, und sie finden im – selbst auch im etwa ›verhaltenen‹ – Verhalten mehr oder weniger Ausdruck unserer strukturellen Kopplung mit bzw. in der Welt, in der wir uns innerhalb unseres Menschseins vorfinden. Und deshalb ist die Berücksichtigung der Emotionen der vielleicht der wichtigste Weg, auf dem die organisationale Welt sich uns gegenüber manifestiert und innerhalb der wir im Miteinander sind. So können wir Organisationen als soziale Phänomene verstehen und gut gestalten.