Führungsthemen für denkende Praktiker und praktische Denker
Stellen Sie sich doch einfach einmal vor, Sie versuchen einem Außerirdischen zu vermitteln, worum es bei Führung geht. Wie verstehen wir als Menschen Führung? – Und worum geht es uns eigentlich bei: Führung? – Welchen Sinn macht Führung für uns Menschen? – Also auf welche Fragen des Menschseins ist Führung die Antwort, für welches Problem ist sie die Lösung, wer hat in welchem Kontext dieses Problem, und wie können wir das alles und uns selbst darin verstehen?
Und überhaupt: »existenziell«, das klingt nach Weltabgewandheit in Heideggers Waldhütte in Todtnauberg, nach Sartres Hornbrille, Libertinage, filterlosen Zigaretten und muffigen schwarzen Rollpullovern, nach Kafka, Camus und überintellektualisiertem Glasperlenspiel oder der »Ungreifbarkeit des uns Umgreifenden« in Karl Jaspers philosophischem Werk.
Warum also, sollte ausgerechnet eine existenzielle Perspektive auf Führung ein praktisches Verständnis vermitteln, das diese Fragen beantworten kann? – Welche existenziellen Grundlagen erlauben einen praktischen aber auch tiefen Zugang zu diesen Fragen? – Und was hilft mir das, mich selbst in meinem Führungsalltag selbst besser zu verstehen? – Welchen Unterschied macht also »Existenzielle Führung«?
Monica Hanaways Buch »The Existential Leader – An Authentic Leader For Our Uncertain Times« (2019), war für uns ein wichtiger Wegweiser auf unserem Pfad zu diesem Blog. Sie formuliert die Antwort darauf so: »Menschen, für die existenzielles Denken neu ist, neigen dazu, es mit Bildern von dunklen Jazzclubs, dem stechenden Geruch von Gitane‐Zigaretten, Whiskey, Kaffee, Amphetaminen und Schlaftabletten und einer düsteren, nihilistischen und egoistischen Einstellung zum Leben zu verbinden. … Wenn sie sich jedoch einmal wirklich mit den Aussagen existenzieller Autoren auseinandersetzen, werden sie vielleicht feststellen, dass die Dinge ganz anders gesehen werden können. Die besondere Betonung der Zeitlichkeit und der Zeit, mit ihrer ständigen Erinnerung daran, dass das Leben kurz ist und wir alle sterben werden, mag negativ oder defätistisch erscheinen, kann aber auch als ein klarer Aufruf gesehen werden, jeder Minute des Lebens die Bedeutung zu geben, die ihr gebührt. Wenn wir dies tun, erleben wir eine Welt, die aufgrund ihrer Zeitlichkeit sowohl aufregender als auch herausfordernder ist, und in der die Notwendigkeit, unser eigenes individuelles Handeln zu bedenken und dies auch zu verantworten, an erster Stelle steht. (xiv). … So wie das Leben im Wesentlichen relational ist und wir also immer in Beziehung zu anderen leben, so gilt dies offensichtlich auch für Führung. Leadership kann nicht ohne Followership existieren. Jeder ›Follower‹ bringt seine eigenen Werte, Überzeugungen und Bedeutungen in die Beziehung zu einem ›Leader‹ ein. Wenn wir das verstehen und damit arbeiten, ist dies der Beginn, uns den Fragen von Führung auf eine existentielle Weise zu nähern.« (xxvii) [unsere Übersetzung].
Dieser Blog soll zur Verbreitung existenziellen Denkens und Verstehens beitragen, und zwar insbesondere im Anwendungsfeld von Organisationsentwicklung und Führung. Neben Artikeln zu zentralen Fragen von Organisation und Führung werden unter anderem auch Beiträge zu Buchvorstellungen und Rezensionen zum genannten Themenbereich und zu Themen der Zeit gehören. Ausgangspunkte unserer Arbeit sind die Logotherapie und Existenzanalyse sowie die Daseinsanalyse. Und wir schöpfen aus hermeneutisch‐phänomenologischen und existenzphilosophischen Quellen, und existenziellem, sowie existenzialistischem Denken.
Eines unserer Anliegen ist dabei auch, mit anderen Denktraditionen in den öffentlichen und offenen Dialog, beispielsweise mit der konstruktivistischen und systemtheoretischen Denkrichtung, einzutreten. Ein lohnendes Ziel wäre es, sich auf gemeinsame Wurzeln zu beziehen, und beispielhaft ein komplementäres Verständnis zu entwickeln, das einen Raum für Fragen des Menschseins in organisationalen Kontexten eröffnete.
Als Organisatoren des Blogs »Existenzielle Führung« verfolgen wir zu diesem Zweck auch aufmerksam die fachliche Debatte im angelsächsischen Sprachraum, die uns fundiert, reichhaltig und vielfältig erscheint und eine weitere Öffnung für existenzielles Denken im Anwendungsfeld von Organisation und Führung verspricht.
Und so wir verstehen uns auch als Gastgeber: Autorinnen und Autoren, die sich in diesen Feldern ausweisen und etwas zu sagen haben, sind eingeladen, Beiträge zu diesem Forum beizusteuern. Der Blog wird konsequent zweisprachig (deutsch, englisch) ausgelegt sein. Wir freuen uns über Rückmeldungen und über Angebote von Beiträgen zur Veröffentlichung. – Die Erscheinungsweise wird etwa monatlich erfolgen und fortlaufend auf dieser Seite aktualisiert.
Auf diese Weise soll dieser Blog Anregungen geben und Impulse setzen, im besten Fall Antworten formulieren und den Dialog über Fragen von Führung und Organisation zwischen denkenden Praktikern und praktischen Denkern anregen.
Georg Martensen
René Märtin
Mehr Informationen unter Projekt.