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Ein Kommentar von Dr. Georg Martensen; Logotherapeut, existenzieller Coach, Supervisor; Braunschweig im Dezember 2021. [wiederhergestellt]
Vorbemerkung:
Mein Kollege René Märtin (Osnabrück) und ich haben es uns zur Aufgabe gemacht, zur Verbreitung existenziellen Denkens und Verstehens beizutragen, und zwar insbesondere im Anwendungsfeld von Organisationsentwicklung und Führung. Bezugspunkte unserer Arbeit sind die Logotherapie und Existenzanalyse sowie die Daseinsanalyse. Wir schöpfen aus hermeneutisch‐phänomenologischen und existenzphilosophischen Quellen, sowie aus existenziellem, sowie existenzialistischem Denken. Wir wollen Anregungen geben und Impulse setzen, im besten Fall mit unseren Antworten Fragen erzeugen. So wollen wir den Dialog zwischen denkenden Praktikern und praktischen Denkern anregen. Dabei folgen wir allerdings dem Diktum von Kurt Lewin, einem der Gründerväter humanistischer Psychologie, wonach nichts so praktisch ist, wie eine gute Theorie. Neben Artikeln zu zentralen Fragen von Organisation und Führung gehören unter anderem auch Beiträge zu Buchvorstellungen und Rezensionen zum genannten Themenbereich und zu Themen der Zeit. In diesem Rahmen werden hier in loser Folge unter anderem Publikationen ausführlich besprochen und kritisch gewürdigt, die sich zentral mit Führung und Organisation vor dem Hintergrund existenzieller Fragen beschäftigen.
Der hier vorgelegte Kommentar ist der erste in einer geplanten Reihe zu Buchveröffentlichungen rund um das Thema ›Existenzielle Führung‹. Dieser bedient sich unter anderem der Methode der Dekonstruktion. Diese bezeichnet als sprachliche Verschränkung von Destruktion und Konstruktion ein Vorgehen, das dazu dient, als selbstverständlich hingenommene Wirklichkeiten, Gewohnheiten, Eindeutigkeiten bzw. Wahrheiten zu erschüttern bzw. aufzuweichen (vgl. van Wirth, 2019). Aus einem solchen Prozess des Infragestellens von Erkenntnis entsteht im besten Fall neue Erkenntnis. Und auch diese muss sich selbstverständlich Einwänden stellen und sich ihrerseits die Erschütterung dekonstruierender Fragen gefallen lassen. Dazu lädt dieser Beitrag ein.
Die Überlegungen werden entwickelt in einer kritischen Auseinandersetzung mit dem folgenden Buch:
»Existential Leadership zum Erfolg: Philosophie und Praxis der Transformation«, von Philipp Johner, Dorothee Bürgi und Alfried Längle, [Haufe (2018, 203 Seiten)].
Im vorgenannten Sinne geht es also zunächst darum, das von den Autoren errichtete Gedankengebäude auf seine ›Belastbarkeit‹ hin zu überprüfen, indem sozusagen eine innere Konsistenzprüfung vorgenommen wird. Dies bedeutet vor allem die Auseinandersetzung mit der Konstruktion, das heißt mit der Art und Weise, ob und inwieweit zentrale Thesen des Werks sich ineinanderfügen, sowie die Verprobung auf deren konzeptionelle Standfestigkeit hin. Und zwar in Hinsicht auf die Verankerung in den darunterliegenden expliziten oder impliziten Prämissen. Aus den Elementen der Dekonstruktion und unter Rückgriff auf einschlägige existenzielle Konzepte werden sodann eigene konstruktive Überlegungen zu einer rekonstruierenden Erfassung und Einfassung des Phänomens ›Existential Leadership‹ entwickelt und zur Diskussion gestellt.