Führung existenziell verstehen Dekonstruierende und rekonstruierende Überlegungen zu ›Existential Leadership‹

Der Mensch im Werterleben

Der Mensch im Visier

Von hier aus wird organisationales Transformationsgeschehen auf die Perspektive von Führungsverantwortlichen fokussiert. Das Unternehmen ist die Handlungsebene von ›Existential Leadership‹, innerhalb derer sich ›der Mensch‹ im Plural versammelt. Die anthropologisch gefassten Grundmotivationen bilden den Handlungsrahmen, innerhalb dessen ›der Mensch‹ wesensmäßig, festgelegt wird.

Im so definierten Raum wird ›der Mensch‹ innerhalb von Organisationen nun transformationalem Leadership ausgesetzt. Denn was »ein Unternehmen braucht, ist nach Auffassung dieses Transformationsverständnisses im Individuum angelegt.« (24). » ›Existential Leadership‹ rückt die menschliche Existenz in den Mittelpunkt« (46). So steht ›der Mensch‹ « im Vordergrund, … als Person …, was sich … positiv auf das Aufblühen der Unternehmen auswirkt« (46).

Diese Leadership wird im Anstieg über die vier Stufen in jeweils drei Dimensionen systematisch entwickelt: In der Sachlogik, in der Kulturlogik sowie in der Psychologik.

Werte als Transmissionsebene

Dabei ist die Anbindung an den Wertezusammenhang ein zentraler konzeptioneller Baustein, weil in existenziellem »Verständnis … das, was einen Wert darstellt, … an das Erleben von Wertvollem gebunden ist.« (53). Bei »Unternehmenswerten geht es … darum, was für die Personen, die in der Gestaltungsverantwortung der Firma stehen, wertvoll ist.« (54). Werte entfalten »emotionale Zugkraft«, haben einen »Magnetcharakter«, der »den Wunsch nach Nähe aufkommen lässt« (55).

Vier Stadien der Transformation

Und damit sind wir schon beim vierten Kapitel, dem Herzstück des Buches angelangt (61ff.):

Die nun also als Entwicklungsstadien ausgedeuteten Grundmotivationen (Seinsgrund, Grundwert, Selbstwert, Sinn) werden hier als »Nebeneinander«, »Beieinander«, »Miteinander«, »Füreinander« nominiert und gewissermaßen aufsteigend nacheinander angeordnet. Auf den folgenden ca. 80 Seiten kann man den Autoren auf diesem Weg der Transformation Schritt für Schritt folgen.

So steht nach Auffassung der Autoren »jede Herausforderung eines Leaders …

  1. im Horizont des Möglichen …,
  2. im Horizont des Wertes …,
  3. im Horizont der … Vertretbarkeit (das Eigene …) und
  4. im Horizont des Sinns« (65).

Jedes Stadium der Transformation hat demnach »seine eigenen Qualitäten und bringt spezifische Entwicklungsaufgaben mit sich. … was im Unternehmen …schon vorhanden ist und optimiert werden kann, … bringt für das Unternehmen und sein Wertschöpfungspotenzial … fundamental Neues hervor.« (66).

Diese phasenbezogenen Entwicklungsaufgaben lassen sich wie folgt kurz umreißen:

Im Nebeneinander geht es zunächst um das Annehmen des Faktischen, wie es ist und wie es sich zeigt: »Um den Change zu initiieren, muss … dort begonnen werden, wo das Unternehmen steht … ist ein Nebeneinander die Basis« (69). »Indem der Mensch das ihn Begrenzende annimmt, nimmt er ihm den Charakter des Hinderlichen … und kann Bedingungen … in Möglichkeiten verwandeln« (70). »Für Leader geht es … um die Fähigkeit, Fakten und Tatsachen mit einem nüchternen Blick … zu betrachten … und zu prüfen, welche Möglichkeiten sich daraus ergeben.« (72). Zentral ist hier die Halterfahrung des Menschen in der Organisation: Regelmäßigkeiten, Strukturen, verlässliche Prozesse zahlen dem Zweck gemäß darauf ein. »Leader sollten deshalb für … Kontinuität … sorgen«, und ein »Klima der belastbaren Kollegialität entwickeln« (79).

Im Beieinander geht es um »das zwischenmenschliche Klima im Unternehmen. … Existential Leadership geht es … um werteorientierte Führung … um das Entwickeln von Beziehungsprofis« (87).

Und Beziehungsprofis optimieren zweckmäßig die Allokation Ihrer Zuwendung: Daher ist es entscheidend, dass »der Leader … die Zuwendung ausgeglichen verteilt, sodass alle Menschen, mit denen er zu tun hat, Zuwendung bekommen … weshalb die Entwicklung der Beziehungsfähigkeit aller … zu einer grundlegendenden Leadership‐​Aufgabe … gehört« (98). Und so ist »Hin und wieder einen Kaffee miteinander trinken … oft ein gutes Investment« (103).

Im Miteinander geht es »um das Zusammenspiel, das Schaffen von etwas übergeordnetem Drittem … Synthese und Orchestrierung … multipliziert … Leistung … geht es um eine multiplikative Wachstumsphilosophie« (107) und die Entwicklung von Leistungsteams. »Entscheidungsfreiheit, Verantwortung … und Spielraum für Entfaltung sind dabei die Leitgrößen« (122).

Diesem Zwecke entsprechend werden in einem funktionierenden Miteinander »Anerkennung und Lob ausgesprochen im Wissen, dass dies die effektivste Prophylaxe gegen Neid ist.« (S. 122). Existential Leadership im Miteinander verfolgt diese multiplikative Wachstumsphilosophie, indem sie zweckentsprechend »Zukunftsgestalter entwickelt und anzieht« (123). Dies geschieht »über das Beachten, Zugestehen und Wertschätzen der Person.« (ebd.).

Im vierten Stadium des Füreinander erst findet eine Vernetzung statt, in der diese »ihr multiplikatives Potenzial entfalten kann.« (127). Hier geht gewissermaßen die Saat auf, und es geht jetzt darum, »in der Hingabe an eine gemeinsame Zukunft tätig zu werden.« (ebd.).

Und natürlich geht es, im Füreinander, zentral um die Sinnfrage:

Denn »(e)s liegt in der Natur des Menschen, dass er sein Leben eingebettet sehen will« (131). »Ohne einen größeren Zusammenhang … fehlt dem Menschen der Blick in die Welt« (ebd.). Daher besteht die Aufgabe für Leader darin, das ›Wozu‹ und ›Wofür‹ und den Zweck, für den die Aufgabe steht, zur zentralen Botschaft zu machen (142). Hier geht es um »die Fähigkeit des Leaders zu Sinnstiftung« (184).