Führung und Einsamkeit

Suizid als Antwort? Eine Möglichkeit, aber sinnlos

Suizid als Antwort? Eine Möglichkeit, aber sinnlos

Der einsame Mensch erlöst sich nicht selten von den genannten Daseinsbedingungen, indem er dem unerträglichen Alleinsein einen Schlusspunkt setzt. Die Weltgeschichte ist reich an Beispielen von in absolute Einsamkeit gedrängten Leadern, die ihrem Leben selbst ein Ende bereiteten.

Ein fast vergessener 11. September, nämlich der im Jahre 1973: Der chilenische, demokratisch gewählte Präsident Salvador Allende erschießt sich nach der Erstürmung des Palastes durch die Armee. Zwei seiner Töchter, sein Arzt, die Leibwache und seine langjährige Geliebte haben ihn gerade verlassen, als im »Saal der Unabhängigkeit« zwei Schüsse aus einer Kalaschnikow das Leben des charismatischen Führers beenden. In der Stille im Saal wird Allende der »Vierklang des Daseins« verloren gegangen sein. Isoliert, allein, nur auf sich selbst geworfen, kein Gott, der ihm hilft. Im fast vollständigen Verlust aller Existentialen erscheint die Auslöschung des Selbst als folgerichtige Konsequenz.

Sicher lässt sich in Allendes Fall einwenden, dass die Selbsttötung eine Möglichkeit ist, sich dem Zugriff der Putschisten zu entziehen – um so der wahrscheinlichen Folter und der sicheren Ermordung durch Pinochets Schergen zu entgehen. Gewissermaßen ein letzter Akt der Selbstermächtigung. Doch Malraux, Camus wie Sartre weisen darauf hin, dass der Suizid aus existenzieller Sicht sinnlos ist, weil diese letzte Möglichkeit alle weiteren Möglichkeiten endgültig ausschließt. (Selbstverständlich ist hierüber nicht zu richten – es ist keine moralische Frage, sondern eben eine existenzielle – und wie bei allen existenziellen Fragen sind diese nur zutiefst persönlich zu beantworten. »Wie würde ich an dieser Stelle entscheiden?« ist eine bedeutsame Frage, jedoch kann die Antwort immer nur vorläufig sein, solange, bis es zum tatsächlichen Handeln kommt.)

Ein extremes Beispiel? Das Ende Allendes hat mehr mit alltäglichen Führungssituationen zu tun, als es sich auf den ersten Blick vielleicht erschließt. Wenn es nicht der Exitus ist (der Suizid von – überwiegend männlichen – Führungskräften ist auch in der modernen Organisationswelt eine bleibende Konstante), so sind es die vielen kleinen »Selbsttötungen« in Form von Isolation, Beziehungsabbruch oder ‑missbrauch, Sucht und tief empfundener Sinnlosigkeit, die sich jederzeit und allerorts beobachten lassen. Häufige Erscheinungsformen von Erschöpfungsdepression und Katatonie lassen sich als ›lebendige, d.h. erlebte Variante‹ des eigenen Tods verstehen, die im Jargon als »Burnout‐​Erfahrungen« verbrämt werden.