Befunde zu Organisation, Führung und ihrer Beratung im Wandel

Dynamik des Wandels – Rock Around The Clock

Dynamik des Wandels – Rock Around The Clock

Compliance und Corporate Social Responsibility, Fachkräftemangel, veränderliche Ansprüche von »Millenials« und anderer soziologischer Kohorten (Gen X,Y,Z), signifikant veränderte Macht und Marktverhältnisse, Digitalisierung, Rock‐​around‐​the‐​Clock‐​Globalisierung und disruptive Technologien erzeugen Einbrüche in etablierte Prozesse und Geschäftsmodelle. Multiple Logiken und vielfältige Ziele erzeugen innere Widersprüche; diese wachsen exponentiell und nehmen an Intensität zu. Organisation, Führung und Beratung antworten mit struktureller Anpassung und noch fluideren Arrangements: mit Agilität, Scrum, Diversity, New Work, Postbürokratie, flachen Hierarchien und Workship; mit Design Thinking, Lean Startup und Lean Strategy, Rapid Prototyping und Customer Oriented Innovation; Change höherer Ordnung, Organisationsrebellion, Ambidextrie, organisationale Gleichzeitigkeit und Inklusion von in sich extrem widersprüchlichen Prozess‐ und Kommunikationskulturen sind der – vorerst – letzte Schrei!

So erscheint die konstitutive Differenz von Umwelt und innerer Verfassung von Organisationen zunehmend fragil. Innere Komplexität und Unsicherheit erhöhen sich infolge einwirkender Einflüsse und Ungewissheiten, die im Innern quasi sachgerecht – nach bestem Wissen – prozessiert werden. Zugleich steigt der Erwartungsdruck an Unternehmen in Bezug auf Ihre Ziele und Zwecke, und Führung wird überwältigt von der Diskrepanz eigener Zweifel und der Rollenerwartung. Führung soll Gewissheit vor allem dort ausstrahlen, wo sie doch um die Ungewissheiten weiß, und Management zeichnet sich durch professionelle Ignoranz aus. (Weick, 1985, S. 315, 341). Hauptstoßrichtung der etablierten Führungs‐ und Managementliteratur, ‑beratung und ihrer Praxis ist es folglich, auf strukturelle Veränderungen und akzelerierte Veränderungs‐​Geschwindigkeiten mit jeweils strukturellen Anpassungen und noch fluideren Arrangements zu reagieren (z.B. Exner & Exner, 2017; 2018). In der gemeinsamen praktischen Umsetzung bringen Führung und Beratung die weitere Verflüssigung von Organisationen voran. – Gemeinsam stoßen sie wieder und wieder das Schwungrad des Wandels an. Und bei immer weiter erhöhter Schlagzahl erzeugen sie zugleich im Zusammenwirken die Beschleunigung ihrer eigenen Umwelten. – Immer in der Hoffnung darauf, im Medium der verflüssigten Strukturen, im Hauptstrom der Veränderung, möglichst vor jenem Wind zu segeln, der durch den eigenen Aktivismus selbst miterzeugt wird.

Hans Rusinek (2021) beschreibt »die Tirade der disruptiven Zukunft in der Arbeitswelt« als allgegenwärtig. Der Wandel wird ehrfürchtig wie ein gesegneter Gegenstand herumgereicht und hat eine solche Strahlkraft, dass es Zeit sei, sie in das Licht der Theologie zu rücken. »Üppig im Prunk und streng zu den Ketzern sind die Liturgien des Wandels: Wenn wer von der Dreifaltigkeit Transformation, Revolution, Disruption predigt, dann wird verehrt, nicht diskutiert. … Dann erleben wir … den Typ Changemanager, der unhinterfragt so ziemlich alles um‐ und abstellen kann, was vielleicht noch gut war: klare Karrierepfade, stabile Arbeitsorte, ein gemeinsames Anliegen. Das Hohelied des Wandels erzeugt ängstliche Nachgiebigkeit.«